XLVI. Liebesbrief





Alma, möge die grausame Krankheit, welche Du überstanden hast, Dir als eine Warnung dienen, Dich nicht mit jenem Übermaß von Feuer Deinem Berufe hinzugeben! Meine angebetete Freundin, bedenke doch, dass ein Tag mehr oder weniger in Deinen szenischen Triumphen, Deinen Ruf und Dein Vermögen nicht vergrößern kann, und dass Du durch eine zu große Anstrengung Deiner Kräfte Gefahr läufst, die Mittel zu ihrer Benutzung zu zerstören; Du bist jung, schön; es bleibt Dir noch Zeit genug für die Kunst, welcher Du Dich mit einem so großen und verdienten Erfolge hingibst. Ich erinnere mich, Wie das letzte Mal in M..., das Übermaß der Anstrengung Dich krank gemacht hatte; Du warst so verändert, dass ich Dir gar nicht zu sagen wagte, welchen Schauder mir Dein Zustand einflößte; - und doch ließest Du Dich bewegen, noch zu tanzen, krank wie Du warst, und im Begriff Dich auf eine schrecklich beschwerliche Reise zu begeben, welche ein Kurier nicht machen könnte, ohne feine Gesundheit zu wagen. Es ist wahr, dass am andern Morgen dieses Tages, wo ich Dich so niedergeschlagen sah, Dir nichts anzusehen war; Du warst wie durch einen Zauber wieder das liebliche, hübsche, lebhafte, fröhliche, von tausend Schönheiten glänzende Mädchen geworden, gleich einer Fee, welche nach Belieben ihr Aussehen ändert, um mit ihren Anbetern einen Scherz zu treiben. Als ich Dich so sah, hielt ich Dich für unsterblich. Aber nach und nach fasste der Keim einer Krankheit Wurzel in Dir. Du hast mir geschrieben, dass Du mehrere Male in Paris und dann in B... leidend gewesen bist, woselbst man Deine Güte, Deine Gefälligkeit mit der ganzen Unmenschlichkeit eines geldgierigen Direktors, und eines sinnlichen aber herzlosen Publikums missbraucht hat. Schon zu der Zeit, wo Du mir schriebst, dass Du ein Engagement auf dreißig Vorstellungen in einem Zeitraume von zwei Monaten angenommen, und in derselben Zeit noch eine Reise von vierhundert Stunden zu machen hättest, habe ich gleich angedeutet, dass dies sehr unbesonnen wäre: aber man antwortete mir, dass dies meiner Alma keinen Schaden tun würde; dass sie sich noch auf weit gewagtere Reisen gefasst machen müsse. Vor Furcht zitternd ehrte ich dieses Opfer, dieses Selbstvergessen, mit denen Du Handlungen der Hingebung ausübst, welche man als eine bloße Pflicht zu betrachten gewohnt ist. Je mehr ich Dich kennen lerne, um so mehr befestigt sich meine Neigung zu Dir; ja, selbst Deine Fehler sind in der Tat nur bis zum Übermaß getriebene gute Eigenschaften; was in Anderen Schwäche wäre, ist. in Dir nur die hinreißende Kraft einer engelgleichen Seele. Alma ist ein anbetungswürdiges Kind, welches der Gedanke erschreckt, durch eine Weigerung zu missfallen; aber zu gleicher Zeit ist sie stolz, sie will nicht, dass man glaube, sie gäbe der Zudringlichkeit nach; sie gibt vor, stets nur nach den Eingebungen ihres Willens zu handeln, und um es zu beweisen, tut sie mehr, als sie versprochen hat. Daher auch in Dir diese Furcht, Dein Wort zu verpfänden, der Beweis eines zu großmütigen Herzens, das sich selbst misstraut. So ist mir der Charakter Almas erschienen, dessen Schönheiten ich nicht würdig genug schildern kann.