XLVII. Liebesbrief
Meine geliebte Alma, die anarchischen Ausschweifungen eines fanatisierten Pöbels haben sogar Deinen glücklichen Aufenthalt in Paris getrübt, und Ungewissheit über Deine Entschlüsse für die Zukunft verbreitet. Du fragst mich, ob ich glaube, dass diese Bewegungen sich noch häufig erneuern würden. Ich glaube es; man hat so viele Sophismen proklamiert und so viel Ehrgeiz und Habgier in Gärung gebracht, dass man wahrscheinlich den ersteren nicht so bald in Vergessenheit bringen, und die andere nicht befriedigen oder unterdrücken können wird. Ich wusste durch die Zeitungen, dass T... leidend gewesen war. Ich bitte Dich, ihr zu sagen, dass ich ihr sehr dankbar für die Gefälligkeit bin, dass sie mir geschrieben hat, um mich während Deiner Krankheit zu beruhigen, deren Folgen sich noch darin zeigen, dass sie Dich des Vergnügens berauben, Dich Deiner Kunst zu widmen. Das neue Ballet wird, mit dem Geiste und der Seele, die Du hineinlegen wirst, ohne Zweifel reizend sein; denn einer Zauberin wie Dir kann es nicht fehlen in Allem Erfolg zu haben, obwohl man, unbeschadet dessen, einen Deinem Talente angemesseneren Stoss, der Deine hohe Überlegenheit besser in's Licht gestellt, hätte wählen können. Aber, mein geliebter Engel, der gute Gott führt Dich gleichsam an der Hand, und Du hast Zeit vor Dir; Du wirst Komponisten finden, welche das Genie haben, Werke zu schaffen, die einer Künstlerin, wie meiner Alma, würdig sind. Alles was sich, auf die entfernteste Weise auf Dich bezieht, regt meine Einbildungskraft und mein Herz an. Entsinnst Du Dich eines schlechten Kupferstichs, den man von Dir in W... gemacht hat, und worin vielleicht nur Dein Kostüm genau wiedergegeben ist? Nun denn, ich befand mich an einem Abende dieses Winters auf einem Ball, wo ich eine Dame bemerkte, die diesem Kupferstiche auf eine auffallende Weise ähnlich sah und demzufolge nicht hübsch war. Ich habe ihre Bekanntschaft zu machen gesucht: es ist die Tochter des Herrn von ... Dieses ziemlich verlassene Mädchen war, wie ich bemerkte, mir für die Zuvorkommendheit, die ich ihr bezeigte, sehr dankbar, würde sich aber wahrscheinlich ganz und gar nicht dadurch geschmeichelt gefühlt haben, wenn sie gewusst hätte, dass ihre Ähnlichkeit mit einem schlecht gestochenen Bildnisse der schönsten der Frauen, der einzige Beweggrund dazu gewesen wäre. Warum will der Himmel mir nicht, im Tausch gegen mein Leben, einen einzigen Tag geben, wo Alma in meiner Nähe wäre? Ein verhängnisvolles Schicksal hat mein Urteil ausgesprochen; es hat eine Mauer von Eis zwischen Dir und mir aufgetürmt. Wirst Du, mein Engel, diesen Brief entziffern können? Möchten, wenn Du ihn in den Kamin wirfst, die Flammen, welche sich daraus entwickeln, Deinen zarten Gliedern eine milde Wärme bringen; möchten sie, indem sie die Bewegung Deines Blutes beleben, Dir jenes innere Wohlbehagen gewähren, welches man zuweilen fühlt, ohne zu wissen, woher das süße Gefühl kommt, welches uns leichter atmen macht. Es rührt davon her, dass auf diesem Papiere die Zeilen, welche ich schreibe, von dem Feuer, welches meine Seele verzehrt, durchdrungen sind.