LXI. Liebesbrief





Ich habe heute, meine vielgeliebte Alma, Deinen Brief vom 23ten November erhalten, welcher mir, wie ich es ahnte, verkündigt, dass das Glück, Dich wiederzusehn, welches Du mich hoffen ließest, mir nicht zu Teil werden wird. Es ist also darum geschehen, mein letzter Traum des Glücks ist mir geraubt! Wenn ich von Deinem Herzen eine solche Wohltat erhalten hätte, so würden die drei Monate, welche Du mir schenken wolltest, mir den Himmel gebracht haben, um so mehr als mir meine Alma das Anerbieten selbst gemacht hatte: aber wenn meine Gefühle von Dir gehörig gewürdigt werden, so begreifst Du, dass ich die Erfüllung desselben nicht inständig erstehen konnte! Ich erwartete sie mit einer Angst, welche Worte nicht zu schildern vermögen, und jetzt, wo diese zu schmeichelhafte Täuschung mir entrissen, ist das Leben der Seele für mich beendigt. Du hast, meine Alma, die Abänderung Deines Entschlusses vor E... geheim halten wollen. Ich gestehe Dir, dass im ersten Augenblick, wo mich diese traurige Nachricht traf, ich nicht genug Herr meiner selbst war, um meinen Schmerz zu verbergen, und da Du überdies nicht sagtest, dass es ein Deinem Interesse nötiges Geheimnis wäre, so habe ich ihr Deinen Entschluss, und die Gründe, die Du dafür anführst, nicht verhehlt. Sie glaubte, dass Du in diesem Punkt nicht aufrichtig in Bezug auf mich wärest, aber ich gebe einem solchen Argwohne nicht Raum, ich weiß, dass Du in Deinen Worten nicht so umständlich mitteilend bist, wie ich es in jeder Sache gegen Dich bin, aber eine geflissentliche Verstellung kann in Deinem Gemühte keinen Raum finden. Meine so hingebende Anhänglichkeit für Dich müsste also gänzlich von Dir verkannt werden; es würde zu schmerzhaft für mich sein, einem solchen Urteile Glauben beizumessen. Ich halte Dich immer für das, was Du zu sein würdig bist; mein Herz leidet, aber es beschuldigt Dich nicht. Ich zweifle nicht daran, dass Du den aufrichtigen Wunsch gehabt hast, nach M... zu kommen, dass Du Dich aber später genötigt gesehen, Deinen Entschluss zu ändern. Indessen hing mein Schicksal davon ab; ich hatte zu hoffen Grund, dass unsere Verbindung einer für mich glücklichen Veränderung entgegen gegangen wäre. Wird der verfehlte Augenblick dazu wieder eintreten? ich glaube es nicht. Du schlugst mir vor, zu Dir nach ... zu kommen. Meine liebe Alma, meine Gegenwart müsste Dir notwendig sein, oder Dein Herz mir gehören, so dass ich dessen gewiss wäre, wie Du des meinigen gewiss bist; dann, oh dann gäbe es für mich weder Hindernis, noch Verbot, dem ich nicht trotzen würde, um Dir zu gehorchen. Aber wenn ich Deinerseits nur das verdient habe, was man gemeinhin Freundschaft nennt, das heißt ein Wenig nachsichtiges Wohlwollen, was könnte ich da in die Waageschale legen, gegen die Herrlichkeiten die Dich umgeben? Ich besitze nichts Blendendes, nicht einmal jene anspruchsvolle Dreistigkeit, durch welche so viele Leute Glück machen. Ein ehrliches und liebendes Herz ist mein einziges Verdienst; und das ist heut zu Tage ein Ding, auf welches man gewöhnlich keinen Wert legt, weil man nicht daran glaubt. Dies kann nicht hinreichen, Alma zu fesseln, und ich bin zu stolz, um zu Dir zu kommen, und Dir mit einer unerwiderten Leidenschaft beschwerlich zu werden. Deshalb muss ich fern von Dir grausamen, aber einer edel geschaffenen Seele würdige Qualen dulden. Alma, ich glaube, durch einen Schritt, den mir meine Neigung zu Dir eingibt, eine heilige Pflicht zu erfüllen; wie auch Deine Gesinnungen, wie groß auch Deine Gleichgültigkeit darüber sein mögen, ich habe im Inneren meiner Seele die innige Überzeugung, dass das Schicksal mich dazu bestimmt hat, Dein Freund zu sein; und da heute die Zukunft für mich die traurigsten Aussichten angenommen hat, so muss ich Dir sagen, was ich Dir seit sechs Monaten schon mitteilen wollte, was ich aber von Tag zu Tag verschob, so lange mir noch ein Funken von Hoffnung blieb, Dich wieder zu sehen; denn ich würde es vorgezogen haben, mit Dir in einer vertrauten Unterhaltung nur in Gegenwart Gottes davon zu sprechen; aber jetzt ist diese Hoffnung erloschen; es wird wahrscheinlich nie geschehen, und dies ist. eine Last auf meinem Herzen, welche ich nicht ertragen kann. Ich habe es in ein besonderes Billet ohne Adresse geschrieben, welches Du verbrennen wirst, sobald Du es gelesen hast ... Ich glaube im Frühling nach ... zurückkehren zu müssen; ich werde also wieder sehr weit von Dir sein; eine schmerzliche Zukunft, und ich darf nicht erwarten, dass ihr einige schöne Tage folgen werden; meine Gedanken werden schwach, ersterben! Ach! Du weißt nicht, wie schmerzhaft es ist, sich mit den materiellen Interessen eines Daseins beschäftigen zu müssen, das keinen Reiz, keine Hoffnung auf Erdenglück mehr bietet. Ich sehe Deinen Namen in allen Zeitungen; ich kann ihn weder lesen, noch aussprechen hören, ohne eine Beängstigung zu empfinden, die meine Kräfte bricht, meine Entschlüsse zerstört! Sei glücklich, Alma! könnte ich, um den Preis so vieler Leiden, zu Deiner Wohlfahrt beitragen.