LXIII. Liebesbrief





Meine Freundin, meine geliebte Alma! Ein beständiger Kampf zwischen meinen Entschlüssen, die Macht, welche äußere Ereignisse ausüben, und die Bewegungen, welche die Leidenschaften in mir erregen, stürzen mich in den Abgrund des Zweifels und der Verzweiflung. Vergebens nehme ich zu Vernunftgründen, zum Studium, zur Religion, zu Allem, was die Seele erhebt, meine Zuflucht; sie bleibt ohne Kraft, oder erhebt sich, gleich einer meteorischen Säule, auf Augenblicke nur, zu dem Gewölbe des Himmels, und stürzt sich mit Schnelligkeit hinab, um an einem schwachen Widerstände zu zerschellen. Es gibt für denjenigen im Dasein kein Heil, der, nachdem er sein Herz von einer mächtigen Leidenschaft beherrschen ließ, seine Hoffnungen entschwinden sieht. Das Gefühl einer nagenden Bitterkeit verbreitet sich für mich, selbst über die anziehendsten Gegenstände; der magische Anblick einer anmutigen Natur, das Echo der Sprache der Engel, welches sich in einer träumerischen und lieblichen Musik verkündet, die Wunder der Kunst rühren mich nur, um mich leidend zu machen; die Einsamkeit, das augenblickliche Vergessen meiner Übel, entreißen mich nur auf Momente dem Schmerze, um mich dem Gewichte des Missbehagens, das meine Seele erstickt, dann desto mehr Preis zu geben. Der einzige Gedanke, welchem es zuweilen gelingt, mich wieder zu beleben ist, Dir, Deinem Rufe einst nützlich werden zu können, und der Welt anzudeuten, was Du bist, Du, die Blume der Schöpfung; aber mein Geist entspricht den Anforderungen meines Herzens zu wenig. Ich glaube und hoffe, dass ich bald sterben werde; ich sage hoffe, denn das Leben, fern von meiner Alma, ist mir eine beständige Qual; und übrigens muss das Alter, für einen Mann, welcher ein stets jugendliches Herz bewahrt, eine fürchterliche Bürde sein. Lebe wohl, Alma. Die Umarmung, welche Du an mich richtest, habe ich mir an's Herz gelegt.