LXV. Liebesbrief
Teure Helene, ich glaubte die mögliche Summe der Schmerzen, welche das Herz des Menschen ertragen kann, erschöpft zu haben! ich irrte mich, das Schicksal behielt mir deren noch vor, welche diejenigen übersteigen sollten, die ich in Gedanken voraussah. Alma wird nach ... gehen ... Ich beschwöre Sie, im Namen dessen, was Ihnen das Teuerste ist, versuchen Sie, sie von diesem Vorhaben abzuhalten. Was will sie in ... finden? Vermögen, Ruf? sie hat alles das hier, ohne genötigt zu sein, es in einem so gefährlichen Klima zu suchen. Ihr schönes und kostbares Dasein sollte nicht auf diese Weise verschwendet, und solchen großen Anstrengungen und Gefahren ausgesetzt werden. Das Gefühl, das ich äußere, hat nicht im geringsten die Regungen einer selbstsüchtigen Leidenschaft zum Beweggrunde. Alma ist, gleichviel hier oder in ..., für mich verloren; die augenscheinlichen Gefahren aber, welchen sie sich aussetzt, steigern meine Leiden aufs Höchste, und machen es mir zur Wicht Sie von meinen Befürchtungen in Kenntnis zu setzen. Ich liebte sie wie den Engel meines Lebens, aber das Verhängnis hat uns durch unübersteigliche Schranken getrennt; ich habe unter unaufhörlichen, schmerzlichen Gemütsbewegungen gehandelt, und durch traurige Irrtümer, gleichsam freiwillig, das Glück zerstört, welches sie mir gewährte. Teure Helene, säumen Sie nicht mir genaue Nachricht von sich und ihr zu geben. Das Geschick hat mein Herz unauflöslich an dieses Weib geknüpft; sie ist darin der Brennpunkt, um den sich die Vergangenheit und die Zukunft meines Lebens drehen.