LXVII. Liebesbrief





Meine geliebte Alma, ein mutiger aber von Gefahren erfüllter Entschluss, führt Dich über die Grenzen hinaus, welche Dein Interesse und Deine Stellung erheischen. Hätte es in meiner Macht gestanden, Dich davon abzuhalten, so würde ich Bitten und Überredung dazu angewandt haben; aber meine Stimme weiß sich bei Alma kein Gehör mehr zu verschaffen! Andere Ratschläge, oder vielleicht das Schicksal bewegen Dich zu den Gefahren einer gewagten Unternehmung. Gott wolle, dass Du dort Sicherheit, Glück und Ruhm finden mögest! Durch Deinen Einfluss wirst Du in jener neuen Welt den poetischen Enthusiasmus für die Kunst, in seinem anmutigsten Ausdruck, für die Schönheit in den Formen seiner idealischen Vollkommenheit empor keimen lassen. Du wünschest, dass ich meine Zurückgezogenheit aufgeben soll. Alma, das Geschick hat mich nicht bestimmt, hinzureißen, zu überzeugen und zu gefallen; lange Jahre lasten auf meinem Haupte, und ich habe nur einige Augenblicke jenes Daseins gehabt, wo die Seele und der sterbliche Mensch, von ein und demselben Lichte durchdrungen, von einem einzigen Gefühle bewegt, eine Krise des Glücks zu gleicher Zeit genießen. Dieses Andenken, die Nahrung meiner Gedanken, verdanke ich Dir, und jetzt, wo für mein Herz auch selbst das Traumbild der Hoffnung nicht mehr vorhanden ist, hat die Welt mir nichts mehr als Schmerz und Tod zu geben. Ich hätte alle Schätze des Lebens auf einmal vereinigt, makellose Vollkommenheiten und die Liebe des edelsten Herzens besitzen müssen, und nur um diesen Preis wäre ich befriedigt gewesen. Die tiefen und entzückenden Regungen der Seele müssen frei von der Berührung gewöhnlicher Gedanken, und in dem Heiligtume bleiben, wo sie entstanden sind, ohne sich den Ungeweihten mitzuteilen, die Gefallen daran finden würden, sie zu verderben; Dir allein, meine Alma, konnte ich sie in der Überzeugung mitteilen, dass sie eine sympathetische Aufnahme finden würden. Aber jetzt träumen mein zerrissenes Herz, mein unterdrückter Geist nur Leiden, und suchen sich nur Entsagung einzuflößen. Lebe wohl, Alma, himmlisches Geschöpf nach dem Bilde der Engel! Auf welchem Sterne wird meine Seele würdig sein, die Deinige in ihrer unendlichen Bahn zu erreichen.