XL. Liebesbrief
Alma, meine angebetete Freundin, ich habe Deinen Brief vom 12. Oktober erhalten. Die Äußerungen, welche er enthält, haben mich mit einem solchen Übermaße köstlicher Gefühle erfüllt, dass alle Worte, deren ich mich bedienen könnte, um Dir das Gute, was Du mir erwiesen hast, zu schildern, mir unzureichend scheinen würden. Ach! könntest Du dereinst Dein edles Haupt an meinem Herzen ausruhen, und da frei von Anstrengen, umgeben von der zärtlichsten Sorge ruhig und zufrieden atmen! Vier Jahre sind seit dem Tage verstrichen, wo Deine geliebten Augen zum ersten Male den meinigen begegneten, und ich das bezaubernde Metall Deiner Stimme hörte. Dieser Augenblick hat durch eine magische Sympathie mein Schicksal festgestellt. Lange hat die Ungewissheit über Deine Gesinnungen mein Gemüt trostlos gemacht, aber jetzt wäre es ein Verbrechen, an Dir zu zweifeln. Ich halte mit allen Kräften meiner Seele das Gut fest, das Du mir gewährst, und ohne die Zukunft mit Hoffnungen oder Täuschungen auszufüllen, unterwerfe ich dieselbe gänzlich den Bestimmungen der Vorsehung, welche mir das Glück erlaubt hat, Dir jene Neigung und jenes Vertrauen einzustoßen, welche zwischen zwei Seelen entstanden, die dazu geschaffen sind, sich zu verstehen und sich gegenseitig zu ergänzen. Ich bitte Dich inständig, weder meine Worte noch meine Handlungen, in irgend einem Falle übel zu deuten. Sei versichert, dass es mir unmöglich ist, gegen meine Alma ungerecht zu sein! ich, der ich mein Blut tropfenweise für Dich vergießen würde, ohne selbst daran zu denken, ob Du meine Opfer erführest oder nicht, wenn sie Dir nur von Nutzen wären. Einer Deiner Blicke war hinreichend diese so wahrhafte, so mächtige Leidenschaft zum Ausbruch zu bringen, und Deine Reize, Deine Eigenschaften, haben sie zu der Höhe gesteigert, wo sie jetzt ist. Deine Abwesenheit und die grausamen Ketten, welche mich fern von Dir fesseln, zerstören und reiben mein Leben langsam auf; mein Gemüt, ununterbrochenen Verletzungen ausgesetzt, von der Ungeduld meines Charakters zernagt, macht mich zu einer fortgesetzten Arbeit immer mehr und mehr unfähig, und auch dazu, irgend eine Zerstreuung anzunehmen. Ich weiß nicht, was aus mir werden wird, aber ich weiß, dass außer dieser Liebe mein Geist Nichts mehr sieht, was ihn anziehen könnte. Ich glaube, dass es Dir nützlich sein wird, die Gelegenheit gehabt zu haben N... besser kennen zu lernen, was Dich in Zukunft davor bewahren wird. Dich von ihr beherrschen zu lassen. Dies ist ein sehr zarter Gegenstand für mich, und ich kann nur mit einer Art von Verlegenheit und Unentschlossenheit mit Dir davon sprechen. Du bist gut wie ein Engel, und dabei voll bescheidener Demut, eine bewunderungswürdige und sehr seltene Sache bei einer Person, welche durch ihre Talente allein eine große Berühmtheit erworben hat; das ist der beste Beweis, dass Du eine erhabene Seele hast. Fahre fort so zu bleiben, aber vergiss Deine Rechte nicht; Du musst sie mit Festigkeit aufrecht erhalten. Diejenige, welche Du ehrst, welcher Du zur Stütze dienst, muss sich als Dir in Allem untergeordnet betrachten und sich nicht einbilden, dass Deine Güte, Deine Gefälligkeiten Pflichten sind. Ein Zufall hat mir die Einzelheiten Deines innern Lebens enthüllt; ich weiß, dass Du bis zum Übermaß arbeitest, nicht mit Rücksicht auf Dich selbst, sondern um die Wohltäterin Deiner Familie zu sein, weshalb ich Dich auch anbete, wie eine Heilige.