XXXII. Liebesbrief
Mein angebeteter Engel, meine Alma, ich habe Dir vorgestern geschrieben, an demselben Tage, wo ich Deinen Brief vom ... aus B... empfing. Du weißt jetzt die Ursachen, die mich hingerissen haben, Dir das Vertrauen zu versagen, welches ich Dir schuldig war; Du hast gesehen, dass es mir beinahe unmöglich war, dem zu widerstehen, was mir auf diese Weise, und in einem solchen Augenblicke begegnete; Alles ist zusammen getroffen, um meinen Verstand zu verdunkeln, aber mein Herz hat keinen Augenblick gewankt - Du hast es gesehen, und das ist vielleicht der beste Beweis, bis wie weit und wie sehr ich Dich liebe, den ich Dir geben konnte. Wenn ich jetzt mit kaltem Blute alles das überlege, was vorgefallen ist, so danke ich dem Schicksal, dass es nun, indem es mir ein so großes Leiden sandte, mich für die Zukunft unfähig gemacht hat, jemals den geringsten Zweifel in die wahre Freundschaft zu setzen, die Du mir gewährst. Ja geliebte Alma, diese grausame Prüfung war vielleicht nötig, um der Neigung, welche! ich Dir geweiht, in meinem Herzen einen von aller Ungewissheit gereinigten Altar zu errichten. Mein geliebter Engel, die Ausdrücke Deines so aufrichtigen, so sanften, mit meinen Fehlern so nachsichtigen Briefes, machen mich glücklich, stolz, eine solche Freundin zu besitzen. Man sieht in Deinen Worten, Deine freimütigen und edlen Gesinnungen so klar, dass ich mir die Briefe, welche ich Dir geschrieben, um so mehr zum Vorwurf mache, weil darin die Leidenschaft die Vernunft beherrschte, und sie mich in Deinen Augen ungerecht und anmaßend erscheinen lassen musste. Vergib es mir, meine Alma! Ich habe in meinem Leben nur das eine Unrecht gegen Dich gehabt. Der Himmel muss mit Güte das reinste Gefühl sehen, von dem der Mensch begeistert werden kann, die wahre Freundschaft, verbunden mit leidenschaftlicher Liebe; dies Gefühl für Dich wird alle meine Gedanken leiten. Mein guter Engel, aus Deinen näheren Angaben ersehe ich, dass Du sehr Recht hast, Dich für Deine Reise nach England zu bestimmen, und auch den Winter in Paris zuzubringen. Ja, meine Freundin, Dir gebührt der Reichtum und der Luxus, nicht der der Prahlerei, sondern der auserlesensten Eleganz, welche jeden Gedanken der Unterwerfung unter die Sorgen einer kleinlichen Sparsamkeit, entfernt. Nur in Romanen gelingt es, einen anmutigen Heiligenschein, selbst auf die Armut, zu werfen; aber im wirklichen Leben ist dem nicht so. Die Schönheit und der Geist in dienstbare Beschäftigungen eingezwängt, werden immer mehr oder minder das unauslöschliche Gepräge derselben tragen; für die bezaubernde Alma aber muss der Wille hinreichen, um das Nützliche hervorzubringen und Wohltaten zu verbreiten. Der Ruhm und das Vergnügen dürfen ihre Arbeiten allein leiten. Die Utopier, welche die Gleichheit träumen, möchten den glänzenden Paradiesvogel, der sich auf den Gipfeln der Palmen schaukelt, darauf beschränken, unter dem Strohdache zu nisten. Der Reichtum, ohne Geist und ohne Schönheit ist ein Irrtum des Schicksals; aber auch die Schönheit, und der Geist sind in ihrer Sphäre grausam beschränkt, wenn die Stütze des Vermögens ihnen mangelt. - Da wir gerade von Reichtum sprechen, erfahre ich beiläufig so eben, dass der Bankier, der Mann der ... Bankrott gemacht hat. Das Vermögen der Spekulanten ist größtenteils nur eine glänzende Täuschung.