XXVIII. Liebesbrief





Alma, mein guter Engel, man bringt mir so eben einen Brief von Dir! Wer könnte Deinen bezaubernden Worten, Deinen himmlischen Blicken widerstehen? Du besitzest so viele Reize, dass eine Seele wie die meinige, indem sie sich Dir nähert, auf ewig Dein Sklave wird. Sage mir, wiederhole es, ist es wahr, dass Du an mich dachtest, dass Du Dich über das ängstigtest, was ich leiden konnte? Alma, wenn Du Dich nicht so ausdrückst um mich zu trösten, wenn Du es nicht wirklich denkst, so sage mir solche Dinge nicht; das tut so wohl und dann zu weh, wenn der Zweifel und die Ungewissheit die Hoffnung zerstören. Meine früheren Briefe sind wahrscheinlich schon in Deinen Händen. Du weißt es, alle Leidenschaften meiner Seele sind in einer einzigen vereinigt, der glühendsten Neigung zu Dir. Lange unterdrückte Leiden, Argwohn, den ich nicht zurückzuweisen vermochte, haben mich ohne Zweifel irre geleitet, und das Eintreffen der grausamen Nachricht, dass ich Dich nicht hier sehen würde, hat die Gefühle noch verstärkt, welche mich trostlos machten, indem sie die schwache Hoffnung zerstörte, an die ich mich wie an das einzige Gut klammerte, welches mir noch im Leben leuchten konnte; auch darfst Du, meine Angebetete, nicht verwundert sein, wenn Du darin Ausdrücke eines zu bitteren Schmerzes gefunden hast. Nicht die zärtliche und nachsichtige Freundschaft, sondern die Leidenschaft, eine zügellose Liebe, welche alle ihre Macht auf mich geltend machte, gab meine Worte ein, und die Ungeduld hat mir nicht erlaubt, mir zur Überlegung Zeit zu lassen. Ich hoffe, dass der gegenwärtige Brief den schmerzhaften Eindruck verlöschen wird, den die anderen hervorbringen konnten. Ja, meine Alma, ich hätte vielleicht eine übermenschliche Kraft besitzen müssen, um die Leiden zu bemeistern, die ich empfand; meine Seele ist auf Augenblicke unter der Last des Unglücks gewichen; aber die echte, reine Freundschaft hat bald ihre Rechte wieder geltend gemacht, sie ist nach dieser grausamen Probe eben so stark, so edel wieder erstanden, als sie früher gewesen. Ich hatte dem Argwohn keinen Raum geben, noch ihn in meinem Geiste durch Befürchtungen ohne hinreichenden Beweggrund, verstärken sollen! Wenn ich vermuten durfte, dass Du Geheimnisse vor mir hättest, so hätte ich begreifen sollen, wie sie Dein Herz quälen, und Deine Schritte hemmen mussten; und wenn ich an alle Befürchtungen denke, die eine Frau in vielen Fällen hegen kann, welche Besorgnisse selbst nur ein halbanvertrautes Geheimnis in ihr erwecken muss, so bin ich bereit diesen Mangel an Aufrichtigkeit zu entschuldigen, und keinen Groll mehr gegen Dich zu hegen. Endlich, wenn alle schmerzhaften Träume meiner getäuschten Einbildungskraft sich verwirklicht hätten, so sollte Dir meine Freundschaft Tröstungen und nicht Vorwürfe bieten. Da Du in diesem Jahre nicht Hierher zurückkehrst, so werde ich Dich wahrscheinlich nie wieder sehen, denn für mich ist ein Jahr, ein Jahrhundert. In dem Leben was ich führe, gibt man keinen entfernten Hoffnungen Gehör, und man versieht sich des Schlimmsten. Ich kann es Dir nicht verbergen, dass ich zuweilen auf den fürchterlichen Gedanken komme, dass selbst meine Neigung, meine Gefühle von Deiner Seele nicht wahrhaft begriffen werden; ich bin auch auf dieses Unglück gefasst. Du bist das einzige Wesen auf der Welt, von dem es mir süß wäre, verstanden zu werden; aber wenn mir dieses Gut auch versagt wäre, so würde ich in das Nichts versinken, ohne dass ein Herz mit dem meinigen im Einklänge geschlagen hätte! Meine Augen würden nur noch traurige Tage sehen; Nichts, Nichts in der Welt, keine Freude, keine Zukunft als die, ohne Hoffnung zu leiden! Ich ergebe mich darin, ich füge mich in mein Schicksal, und vielleicht kann der Rest meines Lebens Dir, geliebte Alma, noch nützlich werden. Sei meiner beständigen und aufrichtigen Freundschaft versichert. Du wirst in mir stets Denselben finden; ich bin unfähig ein solches Wort, ohne Bedeutung auszusprechen! Schreibe mir, ich bitte Dich, vergiss mich nicht, schreibe mir unmittelbar von dem Orte, wo Du Dich befindest, ohne Deine Briefe durch die Hände der Leute, welche Du in Paris ließest, gehen zu lassen, da diese sie verlegen, und dadurch meine Angst vermehren könnten ... oder mache es wie Du willst. Ich habe E... gestern besucht, und ihr in Folge Deines Wunsches nicht gesagt, dass Du mir geschrieben hast. Ich habe ihr Nachrichten über Dich mitgeteilt, als hätte ich sie aus den Zeitungen entnommen; auch war dem so; ein Tagesblatt meldet, dass Du vielleicht nach B... gehen wirst. Aber sie merkte wie es damit zusammenhing, ohne Zweifel an dem Ausdrucke meines Gesichts, denn ich fühle immer, dass ich erröte, sobald man Fragen an mich tut, die ich zu beantworten nicht Lust habe. Ich glaube, dass ich keine Reise mehr nach ... machen werde. Ich habe keine Kraft irgend Etwas zu unternehmen, so lange ich Deinetwegen nicht beruhigt bin. Wenigstens kann ich mich in dieser Jahreszeit, wo die Einsamkeit hier herrscht, frei meinem Schmerze hingeben, ohne dass es Jemand bemerkt, oder meine Qualen in meinen Augen zu lesen sucht.