XXII. Liebesbrief





Meine angebetete Alma, Du hast wissen wollen, wie das Auftreten des Fräuleins ... aufgenommen worden ist. Man hat mir gesagt, dass ... ihr eine Rolle verweigern ließ, die sie einstudiert hatte, und dass man ihr die Rolle der ... gegeben, die Du allein, mit Deinem bewunderungswürdigen Talente geltend zu machen weißt; man setzte noch hinzu, dass eine Kabale gegen sie im Spiele gewesen wäre. Ich habe den Personen, welche mir von dieser übel wollenden Stimmung erzählten, bemerkbar gemacht, dass man wenigstens aus Mitleiden sie aufmuntern müsse. In der Tat ist auch das Zischen unter den Kronenleuchtern von den Bravo's erstickt worden. Du weißt, dass das hiesige Parterre, im Gegensatz zu dem von Paris, sich von den Logen imponieren lässt, was nicht mehr als billig ist; denn es ist ein augenscheinlicher Eingriff, dieses vorgebliche Recht des Parterres, die Stücke und die Künstler als letzte Behörde zu richten. Vor hundert Jahren war dies Recht gegründet, denn damals gingen die durch ihre Kenntnisse und ihren Geschmack ausgezeichnetsten Personen gewöhnlich dahin, aber jetzt, wo das Parterre aus gemeinen Klatschern und Ladendienern, oder der Schule entlaufenen Dummköpfen besteht, ist es in der Tat eine Schande, dass die Schriftsteller und die Schauspieler sich so weit herabwürdigen, irgend einen Wert auf Äußerungen zu legen, welche weder aus dem Gefühle des Schönen noch selbst aus der gesunden Vernunft entspringen; auch glaube ich, dass die Macht, welche dieser Haufen missbraucht, die Hauptwunde ist, welche den unbestreitbaren Verfall des Theaters verursacht hat. Aber kommen wir auf Fräulein ... zurück. Der ganz geringe Beifall, den sie erhalten hat, ist nur Sache des Wohlwollens gewesen, und weil Du eine genaue Beschreibung verlangst, so will ich Dir sagen, dass ihre Armbewegungen steif sind, ihr Tanz nichts Bemerkenswertes bietet, ihre Pantomime, weniger als nichts, geziert und kalt ist. Übrigens hat sie, mit ihrem langen, noch durch eine hohe Frisur verlängertem Gesichte, einen um so unvorteilhafteren Eindruck auf mich gemacht, als meinem Gedächtnisse das unauslöschliche Andenken der Reize meiner Alma, gegenwärtig war. Die Erde geizt mit der Erschaffung von Wesen, welche mit allen Schönheiten des Körpers und der Seele zugleich begabt sind, welche mit einer hohen Kraft die auserlesensten Formen und einen vollkommenen Einklang des Ganzen verbinden. Diese seltenen Meisterstücke unserer Natur sind wie Pflanzen, welche nur von Jahrhundert zu Jahrhundert blühen, und nur auf den gefährlichen Abhängen malerischer Abgründe wachsen. Wehe dem, der sich an ihrem berauschenden Wohlgeruch zu erquicken wagt! M... hat mir erzählt, dass Seine Majestät die Absicht habe, Dich diesen Winter hierher kommen zu lassen. Ich zweifle daran, dass Du auf diesen Vorschlag eingehen kannst, und ich bin zu sehr dabei beteiligt, um es auf mich zu nehmen, Dir diesen Rat zu geben; indessen fesselt mich eine schwache Hoffnung Dich wieder zu sehen, an diesen Ort. Man hat die Unvorsichtigkeit gehabt, ohne dazu ermächtigt zu sein, in Deinem Namen Schritte in ... zu tun. Ein solches Engagement passt nur für diejenigen, deren Talent im Abnehmen ist; es würde große Gefahren für Deine Gesundheit, eine sehr beschwerliche Reise und die Unannehmlichkeit mit sich bringen, mit Leuten zu tun zu haben, welche die Erfolge der Unredlichkeit für Beweise von Verstand halten. Überdies würdest Du nicht die Geld-Vorteile finden, welche du ohne Mühe in Paris und London erhältst. Die Prinzen ... sind gestern von hier abgereist; man hat ihnen glänzende Feste gegeben ... Da ich bei Tische neben den Herzog von W... saß, so ermangelte ich nicht vom Theater zu sprechen, um die Unterhaltung auf Dich zu bringen; ich wurde angenehm bewegt durch die Art, mit welcher er sich über Dein Talent, Deine Schönheit, so wie über Dein ganzes Wesen ausdrückte. Und als er die Bemerkung machte, dass Du beständig selbst den Anschein einer Verbindung, die nur den geringsten Schatten auf Dein Betragen werfen könnte, von Dir gewiesen, hätte ich beinahe das Übermaß meiner Freude verraten, indem ich diese Bestätigung der Worte eines Deiner Briefe erhielt. "Niemand," schriebst Du mir, "erhält von mir in Paris irgend ein Recht zur Vertraulichkeit. Ich vergesse die Rathschläge meines Freundes nicht; Ich behaupte mich ruhig, unabhängig, und, Gott sei Dank, dabei glücklich." W... hat mir das ärgerliche Missgeschick des Fräuleins ... erzählt. Sie kannte wahrscheinlich jene unbestreitbare Bemerkung nicht, dass ein Spieler weder Empfindung, noch Zartgefühl oder Rechtlichkeit besitzen muss. Unsere Sitten bieten sonderbaren Widersinn dar; das was die Schande des Mannes ausmachen sollte, die Liebe einer Künstlerin offenbar zu missbrauchen, sie dem Verluste ihrer Gesundheit, ihres Talents auszusetzen, darin setzt er seine Eitelkeit, und sein Opfer ist es, welches die öffentliche Stimme zur Schamröte verurteilt. Teure Alma, Alles, was Dich betrifft liegt mir tausendmal mehr am Herzen, als mein eigenes Schicksal; Dein geringster Kummer würde mir schmerzlicher sein, als alle meine persönlichen Leiden, und ich habe deren viele! Meine Seele, zu lebhaft empfindlich, fühlt schwerere, als die, welche kalte Charaktere befallen können. Du sagst mir, dass es Dir schmerzhaft sein würde, meine Freundschaft zu verlieren: was verstehst Du darunter? - Ich weise aus meinen Gedanken die grausamen Empfindungen zurück, welche diese Worte in mir erweckt haben; - ich habe Dir diese Freundschaft für das Leben gewidmet, nicht ich, werde mich davon lossagen.