XXVI. Liebesbrief





Ich habe diesen Morgen aus Zufall ein Buch geöffnet, in der Absicht darin eine Anspielung auf mein Schicksal zu finden; es ist ein Gedicht von Byron, welches mir in die Hände fiel, und die ersten Verse welche meine Augen erblickten, waren folgende:

::: for love is vanity
Selfish in its' beginning as ist end
Except where 't is near insanity.

Alma, meine Angebetete, wäre es wahr? glaubst Du es, dass die Liebe, welche ich in meiner Seele für so rein hielt, nur Eitelkeit und Selbstsucht, oder eine bloße Torheit wäre. Der Wunsch mein Leben in Deiner Nähe zuzubringen, das Verlangen Deine Gedanken auf mich zu ziehen, das schmeichelhafte Bewusstsein Deinem Glücke zu dienen, wären also nur Empfindungen, die diese gehässige Bezeichnung verdienten? Nein, meine Neigung ist frei von Egoismus; denn wenn es zu Deinem Glücke sein müsste, so würde ich bereit sein, sogar die liebsten Hoffnungen meines Herzens zu opfern! Sie ist frei von Eitelkeit, denn in welche Lage das Schicksal Dich auch versetzt hätte, ich würde Dich stets mit gleicher Kraft geliebt haben, und nie habe ich bei Dir einen Erfolg der Eigenliebe gesucht! Sie ist keine Torheit; denn die Gedanken und Betrachtungen meines ganzen Lebens haben mir niemals Etwas gezeigt, was würdig wäre Dir vorgezogen zu werden! Der Instinkt des Herzens, bestätigt durch die Vernunft, leitet einzig meine Zärtlichkeit. Ich pflichte dem grausamen Ausspruch Byron's nicht bei; er trifft mich nicht; ich liebe Dich mit einer wahren Freundschaft. Es scheint als flöße eine überirdische Macht mir diese so leidenschaftliche Neigung ein; mein Leben hängt von Dir ab; mit einem Hauch kannst Du es vernichten. Ich liebe Dich, wie man nicht mehr liebt, wie ich selbst bezweifelte, dass man lieben könne; denn Dein Einfluss hat mich besser gemacht, und ich rechne mein Leben erst von dem Tage an, wo ich Dich kennen lernte. Vertraue dieser Freundschaft; verhehle mir Deine Pläne und die Umstände nicht, die Dir selbst am schmerzhaftesten für mich scheinen. Ein rechtlicher Mann empfängt und findet nur sein Glück in der Erhaltung eines vertrauten Verhältnisses wie das unsrige, durch das Herz, die Achtung, und nicht durch Zudringlichkeit oder durch Überraschung; ich würde lieber auf Dich verzichten, als zu solchen Mitteln meine Zuflucht nehmen.