XVII. Liebesbrief
Ich habe gestern Deinen Brief und den köstlichen Glückwunsch erhalten, welcher ihm beigefügt war. Meine geliebte Alma, wenn ich an die allgemeine Bewunderung denke, welche Du. erweckst, so verursacht mir das Glück, welches mir durch Dich zu Teil wird, eine Art Unruhe, die ich nicht überwinden kann. Ich, der ich gewohnt bin, jede Abhängigkeit zu vermeiden, bin einem Blicke, einem Worte meiner Alma unterworfen. Die Hoffnung, welche Du wiederbeleben willst, werde ich als das köstlichste aller Güter bewahren, aber ich wage es nicht, mir zu schmeicheln, dass Du, wie Du sagst, ein aufrichtiges und treues Herz, auf das Du, wie auf das Deinige, zählen kannst, den oft trügerischen und unbeständigen Huldigungen der Menge in der Tat vorziehst. Meine göttliche Alma, ich schreibe Dir, indem ich von einem Balle zurückkehre, dem ich beiwohnen musste. Das Glück, dessen ich in Deiner Nähe genossen habe, hat mich für jene vorgeblichen Vergnügungen der Welt gleichgültiger, als jemals, gemacht; indessen sind sie doch nicht ganz zu vermeiden, und es ist wahrscheinlich, dass in dieser Stadt, wo man so kleinlich auf strenge Etikette hält, meine Entfernung schon als Unhöflichkeit ausgelegt worden ist. Ich gehe dahin mit den Gefühlen eines zur Galeere Verurteilten. Nur in Paris ist man den beschwerlichen Ansprüchen nicht unterworfen, welche anderwärts die Gesellschaft auferlegt. Hier wird es verlangt, dass man sich häufig in jenen Versammlungen zeige, wohin man, wie es scheint, nur kommt, um den Geist in Schlaftrunkenheit zu lassen, und sich zu üben, ein Geschwätz ohne irgend ein Interesse aufrecht zu erhalten. Glücklich sind diejenigen, welche mit einer guten Dosis Eitelkeit begabt, sich darin gefallen, und sich von einigen unbedeutenden Redensarten bezaubert finden, die fast immer die nämlichen sind, welche gewisse Personen, gleich einem Frohndienste, an sie richten. Die Leerheit allein hat solchen Zeitvertreib auferlegen können. Meine Vielgeliebte, meine angebetete Alma, wie lang mir die Stunden hier scheinen; und wie schnell entflohen sie mir, wenn ich mich in Deiner Nähe einem süßen Geplauder überließ, in welchem Dein glänzender Geist mein Herz aufklärte und meinen Verstand in Erstaunen setzte; ich betrachtete Deine schönen Augen, und suchte in ihnen mein Schicksal zu lesen, indem ich Deine geliebte Hand in der meinigen hielt! Musste ich so viel Glückseligkeit kennen lernen, um sie zu verlieren und dann mein ganzes Leben hindurch zu leiden! Nur im vertrauten Umgänge mit denjenigen, die man liebt, die man achtet, die unsere Empfindungen verstehen und mit unseren Gedanken übereinstimmen, kann die Seele befriedigt werden; außerdem bieten das Studium und das Theater allein wahrhaftes Vergnügen. Aber zu dem ersteren habe ich den Kopf nicht mehr, und das andere kann mir jetzt nur Traurigkeit verursachen, durch den Vergleich mit den entzückenden Gefühlen, welche mir Dein anmutiges Talent und Deine angebeteten Blicke gewährten. Sage mir, mein Engel! ist Dein Leben als Künstlerin ganz glücklich in Paris, wo man Dein Genie zu bewundern versteht, und wo Deine Schönheit schmeichelhafte Eroberungen macht? Welche Pläne machst Du jetzt zur Benutzung Deines Urlaubs? Was mich betrifft, so lebe ich nur von einem Tage zum anderen; - die Vergangenheit betrübt mich, die Gegenwart macht mich trostlos, und die Zukunft stellt sich meinen Augen in einem finstern Lichte dar. Wenn ich Dich bei mir hätte, so würde ich das Leben wieder begonnen haben, in welchem meine ganze, Deinem Dienste geweihte Tätigkeit eine unerschöpfliche Kraft wieder gefunden hätte; aber Du fehlst mir, und ich verliere allen Mut, indem ich dem Schicksale zürne, welches mich in ein Joch geschmiedet hat, das ich nicht geduldig ertragen kann, und ich verzweifle, indem ich auf den traurigen Gedanken komme dass, wenn es selbst mir jetzt frei stände, mich zu Dir zu begeben, meine Gegenwart dort vielleicht überflüssig wäre. Alma, das Beste für mich wäre eine Kugel durch das Herz; ich fühle das Bedürfnis dazu. Vergib mir, meine Freundin, dass ich Dich mit solchen Gedanken unterhalte, Dich, deren Lebensbahn voller Bezauberungen, durch traurige Bilder nicht gestört werden sollte, und doch streiche ich das nicht aus, was ich so eben geschrieben, denn ich habe gesagt, was ich dachte. Lebe wohl, Alma, ich weiß nicht, wer Du bist, aber ein Wesen dieser Welt bist Du nicht. Wahrscheinlich hat irgend ein Engel, bei einem Besuche auf der Erde, Dich als Muster einer himmlischen Schöpfung aus göttlichem Odem gebildet. Ich bin bei E... gewesen. Ich habe es versucht, ihre Reden aufmerksam zu prüfen, und ich kann nicht umhin, zu argwöhnen, dass ihr im Grunde der Seele unsere Freundschaft missfällt, obgleich sie sich davon nichts merken lässt.