VII. Liebesbrief





Man versichert mich, dass Du von dem Zauber einer sehr ernsthaften Verbindung gefesselt bist. Man sagt, dass die entzückende, die geniale Alma ihr feenartiges Dasein verlässt, und dass sie dieses ungeheure Opfer dem S... V... bringt! - Welchen Liebestrank hat er Dir gegeben, um eine solche Veränderung in Deinen Vorsätzen hervorzubringen? Es scheint das Verhängnis des Schicksals zu sein, dass Alles was in diesem Zeitalter erhaben ist, verschwinden oder sich ausgleichen muss; Alles wandert einer prosaischen Gleichheit zu. Das ist indessen Schade. - Es gibt keine erhabenere Empfindung, als eine gerechte Bewunderung. Es ist so süß, wenn man ein bezauberndes Wesen wie Alma sieht, sich zu sagen: sie ist frei; denn ihre Eigenschaften stellen sie so hoch, dass sie keines Beschützers bedarf! Es ist darum geschehen! Alma wird das dienstpflichtige, unwiderrufliche Gelübde aussprechen, einem Manne zu gehorchen; die Flügel der anmutigen Sylphide werden fallen, ihre schönen Augen werden es nicht mehr wagen durch ihren Glanz zu bezaubern, und ihr Herz wird durch das Versprechen gebunden sein, immer einen Gegenstand zu lieben, der wahrscheinlich dessen bald unwürdig sein wird. Liebe Alma, Deine glänzende Erfolge in Paris haben mir eine so lebhafte Freude gemacht, dass sie für einen Augenblick den Kummer beschwichtigt haben, welchen mir die Nachricht (vielleicht eine falsche, ich hoffe es noch) von Deiner Verbindung mit S... V... verursacht hat. Das was ich Dir voraus gesagt habe, ist vollständig eingetroffen. Du wirst von allen Menschen von Geschmack in der Hauptstadt der zivilisierten Welt mit Enthusiasmus und einstimmig bewundert; da wo die Kunst in welcher Du glänzest, zu der höchsten Stufe der Vollkommenheit gelangt, eine unverwerfliche Anerkennung findet. Dein Ruf ist ein Europäischer geworden, und das Talent der reizenden Alma hat keine Rivalität zu fürchten. Ich war überzeugt, dass Du nur in Paris auftreten durftest, um mit Huldigungen überhäuft zu werden, aber der Neid folgt immer dem Verdienste; er weiß Leute zu finden, welche im Stande sind, selbst einem Engel wie Dir schaden zu wollen ... Übrigens kann die Gunst M ... 's für meine geliebte Alma jetzt kein Interesse mehr haben; gewiss wirst Du sobald nicht wieder hierher kommen, und ich vermutete in Voraus, dass dies eine eitle Hoffnung sein würde, denn der Direktor der Pariser Oper wird nicht so töricht sein, eine Künstlerin wie Du, fahren zu lassen; nur ... war einer solchen Dummheit fähig, welche sehr zu Deinem Besten ausgeschlagen ist. Die Überzeugung dass Deine Zukunft eine glückliche sein werde, macht meine Leiden leichter! Vergiss nicht teure Alma unter so vielen schmeichelhaften Empfindungen des Rufes und des Glückes, dass es in der Ferne einen Mann gibt, welcher in der zärtlichen Anhänglichkeit, die er Dir widmet, nicht übertreffen werden kann, und dessen ganze Empfindungen und Gedanken sich in Dir konzentrieren.